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Beitrag vom 02.06.2008
3. Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung
Andrea Petzenhammer
Ende Juni wurde der Armutsbericht 2008 veröffentlicht. Die Erkenntnisse sind trotz positiver Wirtschaftsentwicklung besorgniserregend: Wer arm ist wird es wahrscheinlich auch bleiben.
Zuerst die guten Nachrichten: Der vorläufige Entwurf des Berichts zeigt, dass die diesjährigen Arbeitslosenzahlen deutlich niedriger ausfallen als 2007. Die erwartete positive Wirtschaftsentwicklung und der milde Winter haben für fast 40 Millionen Erwerbstätige gesorgt, eine Beschäftigungsrate so hoch wie nie zuvor in einem Februar. Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist gesunken und die Erwerbsbeteiligungen der Frauen sowie älteren ArbeitnehmerInnen haben die angestrebten EU-Vereinbarungen von 60 bzw. 50 Prozent bereits überschritten.
Armut macht krank
Weniger erfreulich ist allerdings, dass der berufliche Erfolg und eine finanzielle Sicherheit in Deutschland vor allem von Verbindungen und Herkunft abhängen, und nur in geringen Maß von Begabung oder Arbeitswillen. Und arm oder arbeitslos zu sein, hat noch weit mehr Nachteile als eine vorübergehende finanzielle Einschränkung. Neben drohender Armut im Alter, starken gesundheitlichen Benachteiligungen und sozialen Einschränkung sind vor allem die Kinder in armen Familien die Leidtragenden. Statistisch gesehen sind sie viel häufiger unterversorgt oder krank und sie haben häufiger Übergewicht als Kinder in finanziell besser gestellten Familien. Sie neigen zu sozial auffälligem Verhalten und sind seltener an aktiver Freizeitgestaltung wie Sport beteiligt.
Nur 23 Prozent der Kinder aus Nichtakademiker-Haushalten studieren
Der Bericht zeigt, dass bei mindestens einem erwerbsfähigen Elternteil die Armutsgefährdung von Familien von 48 auf 8 Prozent sinkt. Durch staatliche Unterstützungen wie Wohngeld und Hartz IV soll das Risiko, im sozialen Abseits zu landen, abgefedert werden. Dennoch wachsen 12 Prozent aller Kinder in Armut auf - und es ist statistisch unwahrscheinlich, dass sich ihre Situation später im eigenen Berufsleben ändert. Denn während 83 Prozent der Akademikerkinder studieren, erreichen Kinder formal weniger gebildeter Eltern nur zu 23 Prozent einen hohen Schulabschluss. Die Wahrscheinlichkeit einer Beschäftigung und damit einer gesicherten Existenz hängt jedoch stark vom Bildungsgrad ab.
Hohe Löhne steigen, niedrige sinken
Das zeigt sich auch in den Lohn- und Gehaltsentwicklungen. Während hohe Einkommen steigen und mittlere stagnieren, sinken niedrige Verdienste sogar. Verschärft wird die Situation für GeringverdienerInnen und LeistungsbezieherInnen, da auch die tatsächliche Einkommenshöhe gesunken ist: Obwohl die Bruttolöhne 2007 durchschnittlich um 1,3 Prozent angestiegen sind, gingen die Reallöhne aufgrund zunehmender Lebenshaltungskosten um 4,7 Prozent zurück.
Niedriglohnverhältnisse fördern Altersarmut
Auch der Niedriglohnsektor entwickelt sich besorgniserregend. Entgegen dem europäischem Trend stieg der Anteil der Erwerbstätigen, die weniger als zwei Drittel des durchschnittlichen Bruttoeinkommens verdienen. Mehr als 33 Prozent der Beschäftigten arbeiteten 2005 in unselbständiger Arbeit unterhalb der Niedriglohnschwelle. Das war vor acht Jahren nur bei einem Viertel der Arbeitenden der Fall. Für die ArbeitnehmerInnen bedeutet das, dass sie sich und ihre Familie trotz Beschäftigung nicht erhalten können. Auch hier geraten die GeringverdienerInnen in eine längerfristige Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen. Sie können weder Geld für später zurück legen, noch mit kostendeckenden Rentenbezügen rechnen. Ende 2006 galten 2,6 Prozent der Frauen und 1,8 Prozent der Männer im Rentenalter als arm.
Leiharbeit als Einstieg in den Arbeitsmarkt?
Die Regierung versucht diesen Entwicklungen mit zum Teil zweifelhaften Maßnahmen entgegen zu wirken. Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung und der Pflegeversicherung wird immerhin das grundsätzliche Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf angegangen, was mehr Frauen den Eintritt ins Berufsleben möglich machen würde. Auch die Diskussion um Mindestlöhne – wie sie im europäischen Ausland üblich sind - und die zeitliche sowie finanzielle Ausweitung des Kinderzuschlags entlastet wenigstens die Familien. "Kinderförderungen" wie Vergünstigungen im Bereich des Nahverkehrs und kultureller Veranstaltung sind aber zumindest kritisch zu sehen, da die niedrigen "staatlichen Transferleistungen", also die Hartz IV-Zahlungen, trotzdem oft keine Nutzung der Angebote zulassen. Und ob Leiharbeit oder "Midi"-Jobs, also Anstellungen mit einem Gehalt unter 800 Euro, einen Einstieg in ein selbstversorgendes Arbeitsverhältnis bieten, ist äußerst fragwürdig.
Verlierer sind Alleinerziehende, Selbständige, Arbeitslose und gesundheitlich eingeschränkte Personen sowie BürgerInnen mit Migrationshintergrund. Vor allem Kinder aus den sogenannten bildungsfernen Schichten haben immer noch sehr viel schlechtere Aussichten, ihr Leben einmal selbständig und erfolgreich bestreiten zu können – und das wird sie im schlimmsten Fall bis in die Altersarmut begleiten.
Weitere Informationen
Nach der Kabinettsbefassung Ende Juni 2008 wird der komplette Bericht im Internet unter: www.bmas.de veröffentlicht.
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